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Insights ins Neuromarketing: Ein Fundament für das Online Marketing

Wie triffst Du deine Kaufentscheidung? Sicherlich nicht immer völlig rational, hab‘ ich Recht? Die meisten unserer Entscheidungen werden sehr stark durch unsere Emotionen bestimmt und basieren somit auf unbewusst ablaufenden Prozessen, die wir nicht steuern. Eine echte Herausforderung für uns Marketer!

Schließlich versuchen wir doch alle, mit dem eigenen Angebot aus der Masse herauszustechen und die Zielgruppe zu überzeugen. Dabei spielt der emotionale Faktor der Werbebotschaft eine ausschlaggebende Rolle. Reine Fakten und Informationen reichen häufig nicht mehr aus. Unsere Aufgabe ist es, Konsument:innen schnell und effektiv abzuholen. Mit der richtigen Botschaft, die gänzlich überzeugt.
In diesem Artikel möchte ich einen Einblick ins Neuromarketing bieten und aufzeigen, inwiefern emotionale Faktoren im Online Marketing eingesetzt werden können, um Maßnahmen und Erfolge zu optimieren.

Was ist Neuromarketing?

Neuromarketing ist eine Art Hybrid-Wissenschaft, die Erkenntnisse aus der Hirnwissenschaft mit Erkenntnissen des Marketings in Verbindung bringt. Expert:innen untersuchen durch den Einsatz neurokognitiver Methoden, welche Prozesse im Gehirn eines Konsumenten eine Kaufentscheidung beeinflussen. Das ganzheitliche Ziel von Neuromarketing ist, Prozesse und Zustände im Organismus der Zielgruppe beobachtbar und messbar zu machen. Auf dieser Basis kann das Marketing für Unternehmen optimiert werden und eine „gehirngerechte“ Kommunikation mit den Kund:innen erfolgen.

Kontext, Kontext, Kontext!

Im (Online-)Marketing geht es letzten Endes um Vertriebsthemen. Wir Marketer stellen uns durchgehend die Frage, wie wir am besten verkaufen können. Dementsprechend entwickeln wir Strategien und Kampagnen, die auf das große zentrale Ziel „Umsatzsteigerung“ einspielen.

Die zwei wichtigsten Hebel zur Umsatzsteigerung sind (1) der Vertrieb und (2) die Marke. Während Vertriebler:innen einen sofortigen und kurzfristigen Effekt erzielen, ist eine Marke langfristig zu etablieren. Sie sorgt für eine gewisse Stabilität und fungiert als Sicherheitsstufe, die die Vertriebler:innen wiederum als eine Art Sprungbrett nutzen können. Werden beide Hebel effektiv eingesetzt, wird insgesamt ein Push in Richtung Umsatzsteigerung erwirkt.

Wahrnehmungs-Kontext einer Marke

Unser Gehirn interpretiert alles im Kontext. Genau das kann sich ein Unternehmen beim Markenaufbau zunutze machen. Hierzu zunächst einmal ein simples, aber sehr treffendes Beispiel von Gesa Lischka (https://www.youtube.com/watch?v=ck9l4tSMNks):

gesa-lischka-neuromarketing

Je nach Kontext nimmt unser Gehirn zwei identische Zeichen unterschiedlich wahr. In der Mitte der Darstellung interpretieren wir das Zeichen in der oberen Zeile als Buchstabe „B“, während wir es in der Zeile darunter als die Zahl „13“ wahrnehmen.

Genau dieser Effekt sollte beim Markenaufbau im Hinterkopf behalten werden. Zwei identische Produkte können allein durch deren „Drum-Herum“ und Wahrnehmungs-Kontext völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Um aus dem Wettbewerbsumfeld herauszustechen, gilt es also, eine Marke und deren Kontext aktiv und ganz bewusst zu gestalten. Denn der Kontext hat nicht nur Einfluss auf die Wahrnehmung, sondern vor allem auch auf die Preisbereitschaft der Käufer:innen.

Um einen Kontext zu schaffen, braucht eine Marke eine zentrale Botschaft. Um eine Assoziation mit der Marke zu erzeugen, können eingesetzte Signale und Zeichen variieren, solange die dahinterstehende Botschaft dieselbe bleibt. Ist beispielsweise „Nachhaltigkeit“ die Kernbotschaft einer Marke, so können unterschiedliche Signale ausgesendet werden, die diese Botschaft belegen: die Mitarbeiter:innen kommen mit den Öffentlichen zur Arbeit, fahren Fahrrad oder es wird ausschließlich auf Recycling-Papier gedruckt. Das sind nur zwei banale Beispiele aus einer riesigen Masse an Möglichkeiten, die zeigen, dass auf vielfältige Art und Weise eine neuronale Verknüpfung zwischen Marke und Botschaft erzeugt werden kann.

Die Ebenen unseres Gehirns

Unser Hirn lässt sich grob in drei Ebenen unterteilen, die einen Entscheidungsprozess erklären:

  • Das Reptilien-Brain (Stammhirn): Es ist programmiert auf Angriff, Nahrung, Flucht und Sex. In dieser Ebene entscheiden wir, ob wir uns einer Sache annähern möchten oder nicht. Hier gibt es also nur zwei Möglichkeiten: Ja oder Nein.

  • Das Limbische System: Hier befinden sich unsere Emotionen. 95 % unserer Entscheidungen werden auf dieser Ebene getroffen.

  • Der Neocortex: An dieser Stelle kommen abstraktes Denken, Verstand und Logik ins Spiel. Auf dieser Ebene begründen wir unsere Entscheidungen.

Was Marketer häufig falsch angehen: Sie bzw. wir formulieren unsere Verkaufsargumente, um die Neocortex-Ebene unseres Gegenübers anzusprechen. Die emotionalen Aspekte, die das Limbische System ansprechen, kommen häufig zu kurz.

Der Weg zum Ziel

Das Reptilien-Gehirn ist unser erster Gegner bei der Kundenansprache. Wenn wir es im ersten Schritt nicht schaffen, die Aufmerksamkeit des potenziellen Käufers oder der potenziellen Käuferin zu erregen, haben wir schon verloren. Ist die erste Hürde geschafft, gilt es auf emotionaler Ebene zu punkten. Und erst dann werden alle weiteren Informationen relevant.

Kurz zusammengefasst müssen wir in dieser Reihenfolge überzeugen:

  1. Aufmerksamkeit erregen (Reptilien-Brain)

  2. Emotionen wecken (Limbisches System)

  3. Information bereitstellen (Neocortex)

Jetzt stellt sich die Frage, wie diese einzelnen Hürden genommen werden können. Um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf sich zu ziehen, muss eine Marke mit ihrer Botschaft oder ihrem Produkt aus dem Wettbewerb herausstechen. Das gelingt besonders gut mit allem, was von der Norm abweicht. Aber auch Gesichter können sehr effektiv bei der Generierung von Aufmerksamkeit eingesetzt werden. Hierbei sollte allerdings darauf geachtet werden, dass sie nicht von der eigentlichen Aufgabe des Nutzers (z.B. Kauf abschließen) ablenken. Des Weiteren sollte stets auf eine starke visuelle Ansprache mittels hochwertiger, individueller Bilder geachtet werden. Schließlich können Informationen kaum schneller als über Bilder vermittelt werden. Der Einsatz von Bildern ist aber nicht immer möglich oder sinnvoll. In solchen Fällen sollte darauf geachtet werden, dass in Bildern geschrieben wird. Das ermöglicht Leser:innen, das Produkt bereits vor dem Kauf zu erleben. Sprecht in euren Texten gezielt die Sinne an und ermöglicht ein Riechen, Hören, Fühlen und Schmecken.

Hier nochmal die Tipps im Überblick:

  • von der Norm abweichen

  • Gesichter sinnvoll einsetzen

  • visuelle Ansprache

  • in Bildern schreiben

Durch den Einsatz von Emotionen können Zielpersonen gelenkt und bewegt werden (Action-Bias). Macht nicht den Fehler und verliert eure Nutzer an den effektivsten Touchpoints! Sobald Emotionen geweckt werden, sollte sofort ein Call-to-Action folgen.

Übrigens: Beim Einsatz von Emotionen sollte zwischen Bestands- und Neukund:innen unterschieden werden. Geht es beispielsweise um einen Bestandskunden oder eine bestehende Kundin, der oder die eine konservative Entscheidung wie eine Vertragsverlängerung treffen soll, kann das Spiel mit negativen Emotionen besonders zielführend wirken. Natürlich in Maßen. Wer Neukund:innen generieren möchte, sollte primär auf das Auslösen positiver Gefühle setzen.

Verschiedene Käufertypen

Um das Marketing optimieren zu können und potenzielle Käufer richtig anzusprechen, ist es essenziell, zu verstehen, wie und auf welcher Basis von einzelnen typisierten Konsumentengruppen Entscheidungen getroffen werden. Hierbei kann man grob zwischen vier Käufertypen unterscheiden, die vor allem für Onlineshops interessant sind:

Typ 1: Der Gewohnheitskäufer (oder: „Mach ich immer so…“)
Das beste Beispiel hierfür ist das Kundenbindungsprogramm von Amazon. Der Netzriese profitiert davon, dass viele Prime-Kunden für eine neu geplante Bestellung aus Gewohnheit auf die Amazon-Website gehen. Warum? Zunächst sind die Vorteile für Prime-Mitglieder:innen (wie z.B. schnelle Lieferung und kostenloser Versand) der Grund dafür, dass Amazon präferiert wird. Mit der Zeit entwickelt sich dieses Verhalten zur Gewohnheit.

Typ 2: Der Impulskäufer (oder: „Brauch ich – aus Gründen!“)
Der Konsument oder die Konsumentin entscheidet sich typischerweise sehr spontan für einen Kauf. Beispielsweise, weil das Angebot preislich sehr attraktiv ist oder einfach, weil ein Produkt – aus welchem Grund auch immer – als besonders toll empfunden wird.

Typ 3: Der Planungskäufer (oder: „Das habe ich mir wohl überlegt.“)
Dieser Typ tritt vor allem bei seltener gekauften Produkten wie Auto, Fernseher, Tablet oder Smartphone auf. Vor dem Kauf wird ausgiebig recherchiert. Der Käufer oder die Käuferin holt jede Menge Informationen ein, vergleicht Preise und durchstöbert Rezensionen.

Typ 4: Der Entscheidungskäufer (oder: „Endlich habe ich gefunden, was ich brauche.“)
Entscheidungskäufer:innen suchen so lange, bis sie gefunden haben, was sie möchten. Entspricht ein Produkt ihren Vorstellungen, löst es ihr Problem und deckt es ihren Bedarf, wird zugeschlagen.

Letztendlich sind wir alle Individuen und können uns wohl am besten mit einer Mischform aus verschiedenen genannten Käufertypen identifizieren – je nach Bedürfnis, Anlass oder Produkt. Genau das macht es für Marketer und Onlineshops bzw. Websites so schwierig, den richtigen Ton zu treffen: nicht nur für die Zielgruppe(n), sondern auch für Google und die eigene Marken-Authentizität.

Eine Prise Emotion für die Website

Wie bereits erwähnt, sind ausgelöste Emotionen häufig der Grund für eine Kaufentscheidung. Eine Website sollte daher nicht nur ansprechend und modern designt oder gut gecodet sein, sondern auch die Gefühlswelt der Nutzer:innen aktivieren. Kurz gesagt: Deine Seite sollte in erster Linie für Nutzer:innen gemacht sein und ein Erlebnis bieten.

4 Do’s and Don’ts im Überblick

Häufig wird dieser Ansatz nicht in den Fokus gestellt und es werden folgende typische „Fehler“ begangen:

#1: Viel zu überladene Navigationsbäume
Don’t: Zwing Deine Nutzer:innen nicht zum Suchen und Nachdenken („Wo könnten sich die Inhalte genau verbergen?“). Damit reißt du sie aus dem Wohlgefühl beim Einkaufen.
Do: Halte deine Hauptnavigation so schmal und aufgeräumt wie möglich. Das erleichtert die Nutzbarkeit deiner Website enorm – vor allem auf mobilen Endgeräten.

#2: Eine distanzierte und rein sachliche Ansprache Don’t: Bulletpoints und aussagekräftige Produktinformationen sind essenziell – keine Frage! Allerdings sollten eine zu sachliche Ansprache und Tonalität vermieden werden. Das baut eine Distanz zur Zielgruppe auf und erschwert eine Identifikation mit der Marke.
Do: Mit Storytelling erreichst du Deine Nutzer:innen auf einer völlig anderen Ebene. So bleibst du im Kopf und machst Dein Produkt oder Deine Marke schon vor dem ersten Kauf erlebbar. So zum Beispiel durch das Einbinden von Rezensionen.

#3: Sehr platte und emotionslose (Produkt-)Bilder
Don’t: Produktdetails und verschiedene Perspektiven sprechen in erster Linie unseren Verstand an. Das Produkt wird dadurch aber nicht für Nutzer:innen erlebbar.
Do: Bilder sollten einen Eindruck davon vermitteln, welches Lebensgefühl ein Produkt schafft. Neben Fakten und Details interessiert es uns doch in erster Linie, wie beispielsweise die neue Winterjacke angezogen aussieht.

#4: Aufwändige und komplizierte Bestellprozesse
Don’t: Zu viele Entscheidungen, die von Nutzer:innen getroffen werden müssen, sind Gift für die gewünschte Conversion. Übersetzt: Zu viele Call-to-Actions und eingebaute Buttons überfordern und lenken ab.
Do: Damit ein Website-Besuch zum Erlebnis wird, sollte der Weg bis zur Conversion einfach und unkompliziert gehalten werden. Dazu gehören unter anderem eine leicht verständliche Struktur, eine geringe Klicktiefe und ein reibungsloser technischer Ablauf.

4 Neuromarketing-Tipps To Go

  1. Spiegelneuronen aktivieren:
    Sprich gezielt den Nachahmungstrieb deiner User:innen an. Was die einen haben, wollen die anderen erstrecht. Testimonials sind beispielsweise eine einfache Art, um einen Nachahmungseffekt ins Rollen zu bringen. Aber auch Postings, Rezensionen und ähnliche Erfahrungsberichte von Bestandskunden können hierfür ein geeigneter Auslöser sein.

  2. Indirekte Werbung:
    Direkte Werbung ist häufig „aggressiv“ und wirkt zu aufdringlich. Wesentlich besser funktionieren unterschwellige Botschaften und Stories, die potenzielle Käufer:innen auf einer anderen Ebene erreichen.

  3. Sinne ansprechen:
    Erlebtes bleibt uns besser in Erinnerung. Um diesen Effekt bereits vor dem Kauf eines Produktes zu erzielen, sollten mit der Website und beispielsweise den Produkt- und Kategorietexten möglichst viele Sinne der Leser:innen aktiviert und angesprochen werden.

  4. Erschaffe echte Fans:
    Wer einen ansprechenden Kontext um seine Marke baut und Kernbotschaften etabliert, baut sich einen loyalen Kundenstamm auf. Unter anderem dadurch, dass innerhalb der Zielgruppe ein Nachahmungstrieb aktiviert wird. Außerdem kreieren Anhänger:innen einer Marke selbst Content, beispielsweise über Social-Media, und somit kostenlose Werbung für die Marke.

Neuropricing

Bei der Verkostung zweier Weine wird uns mit Sicherheit der etwas teurere automatisch mehr ansprechen. Warum? Ganz einfach: Weil unser Belohnungszentrum wesentlich stärker angesprochen wird und wir das Gefühl haben, uns etwas zu gönnen. Mit Preisen können Emotionen und Gefühle also durchaus gut gesteuert werden. Wir alle wollen weder zu viel noch zu wenig bezahlen. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass sich Kund:innen bei der Wahl aus drei ähnlichen Produkten in der Regel für das mittelpreisige entscheiden. Bei recht neuen Produkten sind der Zielgruppe die üblichen Preise nicht bekannt, weshalb diese erst noch gelernt werden müssen. Hier bietet es sich an auf einer Kategorieseite an erster Stelle die teureren Produkte zu listen. So wirken alle darauffolgenden Produkte günstiger.

Reizwörter, wie „Sonderangebot“ oder „Rabatt“, sprechen uns direkt an. Auch dieser Effekt lässt sich mit unserem Belohnungszentrum begründen. Wir nehmen etwas als geschenkt wahr und sehen in dem Angebot eine Belohnung, die wir eigentlich bei jedem einzelnen Kauf suchen. Ein positiver Effekt für die Marke oder den Shop ist, dass Beschenkte stets – wenn auch unterbewusst – das Bedürfnis haben, sich zu revanchieren. Deshalb wird häufig erneut gekauft oder eine Weiterempfehlung ausgesprochen.

Was Du in Sachen Neuromarketing noch alles beachten kannst, wenn es um Deinen Webshop geht, kannst Du auch in diesem Artikel lesen.

FAZIT

Neuromarketing basiert auf zwei grundlegenden Fakten:

  • Menschen agieren und reagieren nicht rational.

  • Menschen aktivieren beim Kaufen ihr Belohnungssystem.

Ziel des Neuromarketings ist es also, die Gefühlswelt und Sinne der Konsument:innen anzusprechen. Dabei gilt: Indirekte Werbung funktioniert häufig besser. Offensichtliche Werbebotschaften machen misstrauisch und schrecken oftmals ab. Neuromarketing kommuniziert wesentlich unterschwelliger und löst dadurch primär Emotionen aus. Befriedigt uns der Kauf eines Produkts, sind wir eher dazu bereit, erneut zu kaufen und uns der Marke gegenüber loyal zu verhalten. Das beinhaltet nicht nur eine langfristige Bindung zwischen Marke und Käufer:in, sondern auch die Weiterempfehlung an potenzielle Neukund:innen.

Heutzutage wird ein Großteil der Kaufentscheidungen online getroffen. Daher sollten Erkenntnisse des Neuromarketings verstärkt in der digitalen Welt und dem Online-Marketing genutzt werden. Sowohl mit dem Design und der Nutzbarkeit als auch der Technik und dem Content einer Website können psychologische Effekte aktiviert werden, die dem zentralen Ziel “Umsatzsteigerung” in die Karten spielen.

Optimiere Deine Website mit Ryte!

Veröffentlicht am Jan 13, 2021 von Christina Münzer